Das druckgrafische Werk Edouard Manets
In der neueren Forschungsliteratur wird Manets Werk vermehrt im Kontext einer Medienrealität der Epoche diskutiert. Mit Medienrealität ist eine sich im 19.Jh. einstellende neue Verfügbarkeit des Bildes gemeint, die bedingt ist von technischen Entwicklungen (Lithographie, Fotografie oder neue Methoden der Ätzradierung) wie auch einer ökonomischen Rationalisierung der Bildproduktion, die im Kontext der sich entfaltenden bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft steht. Im Rahmen der Leitfrage des Graduiertenkollegs zu Singularität und Pluralität des Bildes liesse sich hier also auch von einer neuen Pluralität des Bildes sprechen. Manets Referenznahme auf Vorbilder der Kunstgeschichte wie auch auf Populärmedien ist, wie es die neuere Forschungsliteratur beschreibt, in ihrer Mittelbarkeit über diese neue Verfügbarkeit des Bildes zu sehen, worin die Druckgrafik eine prominente Rolle spielt. Dabei hat Manet selbst im Rahmen des sogenannten Revivals der Ätzradierung (Eau-Forte) ein umfangreiches druckgrafisches Werk hinterlassen, das mit den Charakteristiken von Original und Reproduktion spielt. Gerade im lebhaften zeitgenössischen Diskurs zur Ätzradierung hingegen wurde eine gewisse Idiosynkrasie des künstlerischen Ausdrucks, eine genuine Singularität des Bildes also, in einer zuvor kaum da gewesenen Schärfe betont. Dass Manet ausgerechnet dieses Genre mit Reproduktionsgrafiken eigener und fremder Werke bespielt, jene Singularität also an einer Pluralität des Bildes bricht, ist ein Indiz dafür, dass er hier die historische Medialität von Bildlichkeit thematisiert. Das Singuläre einer je eigenen idiosynkratischen Signatur und das Plurale einer spektakulären, automatisierten Bildproduktion konkurrenzieren sich in Manets druckgrafischem Werk, so die These, auf eine historisch spezifische Weise.